Mit Patricia Mathes und Semier Insayif kommen zwei Dichtende zu Wort, die „sehenden Wortes“ schreiben: Mathes‘ literarisches Debüt „im grunde sprichst du schon“ (keiper lyrik, 2025) kennzeichnet Redewendungen oder ein Sprichwort, manchmal offensichtlich, manchmal kaum noch auffindbar in das Sprachmaterial eingesickert: „reich dir das wasser“ etwa, oder „der mund ist das obergeschoss/und in den knochen/steckt der weg“. Derartige Rückgriffe sind das erstaunliche Sprachmerk einer Dichterin, die zwischen Anarchie und strenger Versform die Sprache aus der Sprache dreht, was das Wesen und die Substanz guter Poesie ausmacht. Sie geht dabei bis auf den Grund: Das ohnehin schon gründlich durchgearbeitete Sprachmaterial zerkleinert sie am Ende des Bandes noch einmal zu Schnipseln und setzt sie neu zusammen. Aus der Sprache kann alles, aber auch wirklich alles werden.
Gedichte über das Sehen und Betrachten, über bildende Kunst und bildnerische Sprache finden sich im Band „ungestillte blicke – oder vom bebildern eines kopfes und beschriften desselben“ (Klever 2022) des in Wien lebenden Dichters und SprachkünstlersSemier Insayif. Wie sind ihre jeweiligen genuinen Bausteine und Vokabularien beschaffen? Die Gedichte, die dabei entstehen, interpretieren die alte Horaz-Formel von der Dichtung als Bild (ut pictora poiesis) neu. Abgesehen von der jeweiligen „Grammatik“ der beiden Künste interessieren Insayif die Aspekte des Sehens, des Beobachtens und Schauens, aber auch die Verbindung von Gedicht und Gesicht.
Eine Reihe von Gedichten ist angelehnt an Portraits, die Malerinnen, Bildhauer und Fotografinnen geschaffen haben, darunter Maria Lassnig, Francis Bacon oder Günter Brus.
Einführung: Barbara Rauchenberger
Moderation des Gesprächs: Helwig Brunner